Was die Mopsfledermaus mit unpassierbaren Wanderwegen zu tun hat – Zu den Ergebnissen der Beratung der AG Wege am 2. Juni 2022
In Vorbereitung auf die Beratung der AG Wege hat sich der SBB mit der Landesdirektion (LD) und der Nationalparkverwaltung (NPV) am 5. Mai zu einem Gespräch getroffen. Für den SBB/DAV haben Ulrich Voigt, Rainer Petzold und Peter Rölke teilgenommen. Sehr deutlich wollten und mussten wir unser Unverständnis äußern, dass bei der Vielzahl der von Unpassierbarkeit gefährdeten Wanderwege das vorsorgliche Freisägen erst am 1. November 2022 beginnen soll. Die kurze winterliche Zeitspanne bis 28. Februar 2023 ist nicht ausreichend, damit die Firmen die anstehende Arbeit schaffen – und weitere jahrelang nicht begehbare Wanderwege wären vorprogrammiert. Es sei eingefügt, dass es bei diesen Sägearbeiten nicht um das Freischneiden umgestürzter Bäume auf Wegesbreite auf schon unpassierbaren Wegen geht, sondern um vorausschauendes und vorsorgliches Fällen von toten Fichten neben den Wanderwegen, damit diese gar nicht erst unpassierbar werden. Die Vorschläge des SBB/DAV sind im Stufenplan A zusammengefasst.
Erst tiefere Nachfragen machten uns klar, dass laut Landesdirektion nur eine einzige Tierart die Verzögerung bis zum 1. November verursacht: die Mopsfledermaus. Sie bewohnt Spalten z.B. hinter der Rinde abgestorbener Bäume und lebt üblicherweise in naturnahen Laubwäldern. Die LD informierte, dass u.a. nach EU-Recht ein Tötungsverbot jeder einzelnen Mopsfledermaus besteht. Außerdem, so argumentierten LD und NPV, gibt es keine Ausnahme, weil keine zwingenden und überwiegenden Gründe des öffentlichen Interesses zur Freistellung der Wanderwege bestehen (§ 34 BNatSchG). Wandern habe kein überwiegendes öffentliches Interesse im NP, da laut Bundesnaturschutzgesetz allein der Naturschutz Vorrang hätte. Der SBB hat dazu eine andere Auffassung: Besonders das Wandern und auch der Klettersport haben ein ausgesprochen großes öffentliches Interesse. Das bisher über 30 Jahre praktizierte Modell war das Miteinander und der Ausgleich von Naturschutz und Bergsport.
Das Vorkommen dieser Mopsfledermaus in der Sächsischen Schweiz war in den letzten 30 Jahren nie ein Thema. Aus diesem Grund hat der SBB in allen verfügbaren Quellen zur Mopsfledermaus in der Sächsischen Schweiz recherchiert. Das Ergebnis: Es gibt keine aktuellen, gesicherten Erkenntnisse zum Vorkommen der Mopsfledermaus im NP. Laut NPV gibt es nur etwa aller zwei Jahre eine Beobachtung im NP (seit 2009 gab es 7 Beobachtungen). Zusätzlich hat der SBB von der Landesdirektion die nach Umweltgesetzgebung einsehbare Stellungnahme des Fledermausexperten vom 27. Dezember 2021 angefordert (hier einzusehen). In dieser wurde sinngemäß festgestellt: Die Mopsfledermaus hat derzeit eine so große Vielfalt an Wohnlebensräumen (tote Fichten), dass kein Anlass zur Sorge um eine mögliche Population besteht. Allerdings hat die LD trotz dieses Faktes noch immer berechtigte Bedenken und Sorgen vor Klagen der Naturschutzverbände, falls z.B. das EU-Recht (FFH) auch nur in einem Detail verletzt wird. In anderen sächsischen Gebieten hatten jene Naturschutzverbände kürzlich erfolgreich vor Gericht Klage geführt. Wir sind uns der schwierigen Lage der zuständigen Personen in den Behörden zwischen diesen Fronten bewusst.
Außerdem hat der SBB der LD und der NPV am 5. Mai dargelegt, dass die Zustimmung zum Nationalparkgedanken bei vielen wirklich umwelt- und naturbewussten Menschen derzeit nachlässt. Umso mehr, wenn das Bundesnaturschutzgesetz selbst bei der hypothetischen Gefährdung einer fast nicht vorkommenden Mopsfledermaus den unbedingten Vorrang des Naturschutzes festlegt. Wir haben versucht, den Behörden nahezubringen, dass die Existenz des Nationalparks Sächsische Schweiz kein vom Menschen unabhängiges Naturgesetz sei, sondern die Idee von Menschen aus dem Jahr 1990 ist. Der Grundgedanke damals war, die Landschaft gut zu schützen, jedoch war schon damals kein Wildnis-Reservat geplant, wo der Mensch grundsätzlich als störend empfunden wird. Wenn es keinen gemeinsamen Raum für Natur und Menschen in dem recht kleinen Gebiet gibt und die rund 200-jährige touristische Tradition zu stark ausblendet wird, ist die Nationalparkidee nicht die beste Wahl eines Schutztitels für diese Landschaft. Erste Gemeinderäte in der Sächsischen Schweiz haben dies schon öffentlich geäußert.
Dieser längere Vorspann ist wichtig, um die erfreulich positiven Lösungen zu würdigen, die die Beratung der AG Wege am 2. Juni 2022 schließlich gebracht hat. Landesdirektion und NPV haben nunmehr Lösungen zur jener schicksalhaften Mopsfledermaus mit ihrem unklaren Vorkommen gefunden, die ein vorsorgliches Sägen an Wanderwegen schon ab Mitte August/September und nicht erst ab 1. November erlauben. Zum einen wird der Fledermausexperte von der LD gebeten, in Kürze eine rechtssichere zweite Stellungnahme zu verfassen, so dass Klagen der Naturschutzverbände wenig Chancen auf Erfolg haben sollten. Zum anderen schlug Herr Zimmermann vor, dass mit Wärmebildkamera vor dem Fällen der toten Bäume geschaut wird, ob Fledermäuse hinter der Rinde sitzen. Somit wären erste Klippen umschifft.
Andreas Knaak von der NPV trug zur AG Wege vor, was ab August/September 2022 an Sägearbeiten an welchen Wanderwegen geplant ist (Anlage 1, TOP 3/4). 10 neue Anträge für größere Arbeiten an Wanderwegen sollen bis Mitte Juli bei der LD eingereicht werden. Darunter sind zahlreiche Wege aus unserem SBB-Stufenplan A wie Sandloch/Dom und zwei Polenztalabschnitte (am Hockstein und am Abstieg vom Parkplatz am Ziegenrücken ins Tal), außerdem Schulzengrund, Halbenweg/Gautschgrottenumgebung, Flößersteigabschnitte, Bereiche an der Hohen Liebe. Uli Voigt hat vorgeschlagen, die 2021 abgelehnten, wichtigen Wanderwege Bergsteig, Kahntilke und Lattengrund erneut zu prüfen und hinzu zu nehmen. Zahlreiche Wege aus unserem SBB-Stufenplan sollen unterhalb der Antragsgrenze pragmatisch kleinteilig motormanuell freigeschnitten werden. Das sind u.a. Jordanweg, Richterschlüchte oben, Teichsteinaufstieg unten, Wilde Hölle und Lehnsteig. In der unpassierbaren Weberschlüchte soll der Schreitbagger noch 2022 zum Einsatz kommen. Andreas Knaak stellte vor, dass sogar an dem am längsten unpassierbaren Wanderweg, dem Reitsteig in den Thorwalder Wänden, begonnen wurde. Jetzt Ende Juni ist er nach Jahren der Unpassierbarkeit endlich wieder komplett begehbar. Ebenso sind seit Mitte Juni Hickel- und Buchschlüchte wieder frei.
Auch bei Kletterzugangswegen wird begonnen: Der Goldsteig soll bis zum Goldstein motormanuell freigeschnitten werden. Ebenso Bereiche um die Lorenzsteine. Den Kansteinzugang will der SBB unter Organisation von Rainer Petzold gemeinsam mit der NPV begehbar machen. Rainer und Uli haben vorbereitende Erkundungen durchgeführt.
Nicht prioritär seien derzeit nach Ansicht der NPV Wege wie der obere Teil der Rübezahlstiege durch den Wald, oder die unmarkierte Wegeachse östlich der Thorwalder Wände.
Schwierig wird es insgesamt bei allen Wegen im Privatwald wie z.B. dem Schaarwändeweg zum Beuthenfall, denn im Eigentum anderer darf niemand sägen. Rund um den Großstein kann deshalb nur im Bereich des Staatswaldes freigesägt werden (Anlage 1 der NPV, TOP 5). Hierzu will das AG Wege-Mitglied Daniel Brade, der Hohnsteiner Bürgermeister, mit dem Bürgermeister Thomas Kunack von Bad Schandau etwas bewegen, weil dies eine Sache der Kommunen ist. Die Kommunen wollen auf die Eigentümer zugehen und Lösungen finden. Andreas Knaak erläuterte am Beispiel eines Wanderweges nördlich von Porschdorf, dass ein Privatbesitzer einen Durchgang verbietet und der Wanderer ein sehr langes Stück entlang der vielbefahrenen Straße laufen muss (Anlage 1 der NPV, TOP 6). Hier wollen die Kommunen aktiv werden, evtl. mit einer öffentlichen Widmung dieses Weges innerhalb des Ortes.
Herr Borrmeister stellte die Arbeiten und Aufgaben des Forstbezirkes Neustadt im LSG vor. Man arbeitet an einer umfassenden Erholungs- und Besucherkonzeption (TOP 6; siehe Anlage 2).
Weil der NABU unerwartet fehlte, wurde der vom NABU gewünschte Tagesordnungspunkt 7 zur bedrohten Vogelwelt auf die nächste Beratung am 29. September vertagt. Wir als SBB/DAV hatten uns zu dieser Thematik intensiv vorbereitet und die Datenreihen der drei wichtigsten Vogelarten auf Basis der Grunddaten der NPV analysiert und selbst zusammengestellt, weil bisher eine solche Zusammenstellung nicht vorlag. Die PDFs sind im Link einsehbar für Uhu, Schwarzstorch und Wanderfalke. Auch die Argumente zu möglichen komplexen Ursachen beim Rückgang des Wanderfalkennachwuchses (PDF hier) erwähnten wir, u.a. könnte der Totwald als neuer veränderte Biotop eine Ursache sein. Wir ließen die Grafiken als Basis für die Beratung am 29. September an das Protokoll anhängen.
Fazit: Nach anstrengenden und zeitintensiven Vorbesprechungen und Vorarbeiten – für den SBB/DAV, die LD und die NPV – war die Beratung der AG Wege am 2. Juni 2022 konstruktiv, mit aus unserer Sicht erfreulichen Ergebnissen und einer guten Zusammenarbeit von SBB/DAV, NPV, Forstbezirk Neustadt, Tourismusverband und Bürgermeistern. Für 2022 sind wir auf einem guten Weg.
Peter Rölke, SBB / Vertreter Bergsportverbände in der AG Wanderwege des Umweltministeriums