SBB-Zukunftskongress am 8.3.2014 | Sächsischer Bergsteigerbund

SBB-Zukunftskongress am 8.3.2014

Der Kongress fand in den Räumen des DRK-Landesverbandes in angenehmer Atmosphäre statt. Es waren 100 Kongressteilnehmer anwesend.
Alexander Nareike, der erste Vorsitzende des SBB eröffnete den Kongress und begrüßte die Teilnehmer und Referenten. Er stellte die Kongressziele und den Ablauf vor und übergab dann an den Moderator Prof. Dr. Röhle. Dieser erläuterte kurz die Erwartungen an die Diskussionskultur und an die Teilnehmer und wünschte allen einen interessanten Kongresstag.

Dr. Wolfgang Wabel, Geschäftsbereichsleiter Bergsport des DAV überbrachte ein Grußwort des DAV.

1864 bis heute: eine Standortbestimmung für das Sächsische Klettern

Ludwig Trojok eröffnete den ersten Vortragsteil mit Betrachtungen zur Tradition und zur Frage, was das Sächsische Klettern ausmacht. Ludwig stellte dar, dass sich die Rahmenbedingungen und damit auch das Sächsische Kletterns im Lauf der Zeit gewandelt haben, dass es aber einen bleibenden Kern des Sächsischen Kletterns gibt.
Für Ludwig sind das:

  • Klettern an Gipfeln
  • von unten nach oben
  • bewusste Beschränkung der Hilfsmittel
  • ganzheitlicher Anspruch

Leider war der nächste geplante Referent: Prof. Dr. Warwitz kurzfristig erkrankt und daher verhindert. Freundlicherweise stellte er jedoch seinen ausformulierten Vortrag zur Verfügung. Der Vortrag: „Macht Wagen heute noch Sinn?“ wurde daher von Constance Jacob vorgetragen. Kernaussage des Vortrags ist, dass das Wagnis auch heute noch elementar wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung ist und daher „Sinn macht“.

Danach stellte der Koordinator der durchgeführten Umfrage, Lutz Zybell, die Ergebnisse der Umfrage vor. Dazu erhielten die Kongressteilnehmer eine Handreichung mit einer Kurzfassung der Umfrageauswertung.
Lutz konzentrierte sich bei der Darstellung der Umfrageergebnisse auf die Fragen, die im weiteren Kongressverlauf noch eine wichtige Rolle spielen sollten.

Klettern und Naturschutz, Klettern und Gesellschaft

Uli Voigt eröffnete den zweiten Block mit einem Vortrag über die Bedeutung für die Vereinbarkeit von Klettern und Naturschutz für den SBB. Uli ging dazu auf die Vergangenheit und die Gründung des SBB 1911 ein. Schon damals war der Naturschutz ein wichtiger Grundpfeiler für den SBB. Das blieb zu jeder Zeit so und sichert uns heute die Akzeptanz als Partner des Naturschutzes. Diese Partnerschaft ist wichtig für den Erhalt der bestehenden Klettermöglichkeiten im Nationalpark.

Dr. Dietrich Butter, Leiter der Nationalparkverwaltung, stellt in seinem Vortrag Klettern und Naturschutz in der Nationalparkregion Sächsische Schweiz die Rahmenbedingungen für ein weiteres Miteinander zwischen Nationalparkverwaltung und SBB vor:

  • Die Einsicht in die Notwendigkeit der Schutzbedürftigkeit der Felsennatur ist unverzichtbar.
  • Die Relation zwischen bekletterbarer und nicht bekletterbarer Fläche darf nicht zuungunsten des Naturschutzes verschoben werden.
  • Störungen oder Beeinträchtigungen an Felsen sollen auf ein Minimum beschränkt werden (Beschädigungen der Felsoberflächen, sorgsame Seil- und Schlingenverwendung, Verwendungsverbot künstlicher Hilfsmittel sowie von Magnesia, Kletterverbot am feuchten Fels).
  • Störungen oder Beeinträchtigungen im Zugangsbereich zu Kletterfelsen sind auf ein Minimum zu beschränken (Tiere und Pflanzen, Tritt- und Erosionsschäden).

Der dritte, sehr interessante Vortrag im Themenblock wurde von Dr. Thomas Schaub dem Referent Öffentlichkeitsarbeit der Pfälzer Kletterer präsentiert: Tradition und Moderne im Pfälzer Buntsandstein.
Es gibt dort einen (mühsam ausgehandelten) Kompromiss zwischen traditionellem Klettern und modernen Sportklettern bei dem beide Seiten auch bereit waren, Positionen zu opfern.

Nach der Mittagspause wurden parallel in drei Teilgruppen die nachfolgend genannten Themenblöcke diskutiert:

Themenblock 1: Mehr Sicherheit an Sächsischen Kletterwegen

Eingeleitet wurde der Themenblock 1 durch einen Vortrag vom Leiter der Arbeitsgruppe Modernes Sächsisches Klettern, Matthias Werner unter dem Motto: Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.

In der anschließenden Diskussion stand zunächst das Ergebnis der Umfrage: ein Mehrbedarf an Sicherheit wird vor allem in den mittleren Schwierigkeitsgraden gesehen im Mittelpunkt. Diese Aussage wurde von einigen Anwesenden verneint. Im Kern drehte sich der Streit darum, wie „geringer zusätzlicher Bedarf“ bei Frage 15 zu interpretieren ist.

Eine Betrachtung der beantragten und genehmigten nR ergab, dass es dort Verfahrensdefizite oder zumindest unverstanden lange Bearbeitungszeiten gibt. Erkannt wurde auch, dass in den mittleren Schwierigkeitsbereichen die Zahl der nR-Anträge gering, die Ablehnungsquote aber hoch ist. Ein Grund dafür mag die geringe Beteiligung von Freizeitkletterern, also jenen, die sich im Bereich vom IV. bis zum VII. Grad zu Hause fühlen, bei der Beantragung von nR, in der AGnR selbst und auch auf diesem Kongress sein. Diese gilt es zur Mitarbeit zu motivieren.

Es wurden zwei Vorschläge formuliert:

  • Definition von Klassikern über Kriterien. Diese Klassiker sollen in ihrem Urzustand erhalten bleiben. Für den Rest der Wege sollte das nR-Verfahren vereinfacht werden.
  • Es sollten gezielt die Wege, die selten geklettert werden, auf mangelnde Absicherung überprüft und gegebenenfalls durch nR in ihrer Absicherung verbessert werden.

Beide Vorschläge erhielten sowohl zustimmende als auch ablehnende Meinungsäußerungen.

Zu einem möglichen Mehr an nachträglichen Ringen wurden zwei gegensätzliche Behauptungen aufgestellt:

  • Mehr nR führen zu höherer Begehungsfrequenz und damit zu mehr Felsabnutzung.
  • Durch die Erhöhung der Anzahl gut gesicherter Wege verteilen sich die Kletterer besser und die Nutzung von Modewegen nimmt ab.

Ausbildung wurde als wichtiges Element zur Verbesserung der Sicherheit gesehen. Gleichwohl sind von den Unfällen durchaus auch viele erfahrene Bergsteiger betroffen. Insofern ist fraglich, ob vermehrte Ausbildungsanstrengungen allein den Mehrbedarf an Sicherheit decken werden.

Es wurde die Forderung formuliert, dass jedem SBB-Mitglied unabhängig vom Leistungsstand ein gleiches Maß an Sicherheit zugestanden werden sollte.

Das Thema Einrichtung von weiteren Klettergärten in Steinbrüchen wurde im Impulsvortrag zwar angesprochen, dann aber nicht diskutiert. Dies und die große Zustimmung in der Umfrage lassen vermuten, dass darüber ein breiter Konsens besteht.

Neuerschließung von Massiven wurde von einer Anzahl der Teilnehmer als mögliches Ventil gesehen. Der dazu sicher notwendige Tausch gegen andere derzeit bekletterbare Felsflächen ohne besondere bergsportliche Bedeutung sollte aber nicht nach der Methode: leichte Gipfel gegen schwere Massivwände durchgeführt werden. Mit Verweis auf Workshop 3 wurde dieses Thema aber nicht ausdiskutiert.

Klettern bei Nässe wurde in der Umfrage als ernstes Problem erkannt. Es erscheint tendenziell eher mit dem klassischen Sächsischen Bergsteigen verbunden zu sein.
Die Mehrheit der Anwesenden präferierte dabei weiterhin Eigenverantwortung als Lösung. Diese könnte aber durch eine Empfehlung wie zum Beispiel die in Tschechien eingeführte Ampel unterstützt werden.

Das Thema Toprope (TR) wurde nur kurz thematisiert. Einige Anwesende wiederholten die schon früher gestellte Forderung, der Vorstand möge die derzeitige Regelformulierung in diesem Punkt verschärfen. Dies steht allerdings im Gegensatz zur Aussage der Umfrage. Dort erhält die Variante, es bei der derzeitigen Regelung zu belassen, die größte Zustimmung.
Es wurde angeregt, der SBB solle (in Kursen und Publikationen) auf das Thema TR eingehen und auch zeigen, wie ein TR felsschonend aufgebaut werden kann. Damit lassen sich entscheidende Kritikpunkte am TR minimieren.

Insgesamt konnte in diesem Workshop leider wenig Konsens gefunden werden. Es gibt Teilnehmer, die den Status Quo fixieren wollen und andere, die eine Weiterentwicklung als wichtig für die Zukunft des Sächsischen Bergsteigens erachten. Trotzdem waren alle Teilnehmer der festen Überzeugung, dass die Sächsische Klettertradition bewahrt werden soll.

Themenblock 2: Werbung für das Sächsische Bergsteigen

Zur Einleitung des Workshops wurde vom Jugendvorsitzenden des SBB, Lars Thielsch, ein Impulsreferat gehalten. Die Ergebnisse der anschließenden Diskussion können wie folgt zusammengefasst werden:

Sächsisches Bergsteigen wird als komplexes Erleben der Natur gesehen mit bewusster Unterwerfung unter Regeln die auch Verzicht fordern. Das Sächsische Bergsteigen wird von außen als bewahrenswert wahrgenommen.
Der Ruf als heroisches Klettern eilt dem Sächsischen Bergsteigen voraus, ist aber wohl etwas übertrieben. Unsere Tradition wird anderseits auch als einschränkend wahrgenommen.
Dort wo Exilsachsen das Klettern vorangetrieben haben, wird die bewusste Entscheidung für den Verzicht vermehrt getroffen. Die bestehende Kultur um das Klettern wird als positiv empfunden, wenn man anderswo deren Fehlen bemerkt.

Zwei Teilnehmer aus Tschechien stellten vor, welche Ideen es in Tschechien (Adrspach) zur Bewahrung einer der sächsischen sehr ähnlichen Klettertradition gibt.

Eine griffige, allumfassende Idee, wie die Jugend an das sächsische Bergsteigen herangeführt werden kann, wurde im Workshop nicht gefunden. Es bleibt die Hoffnung auf das „elitäre Wagnis“ als Triebkraft für die Jugend.

Es wurde die Sorge geäußert, dass es mit dem Bau der Kletterhalle im SBB-VZ zu Widersprüchen kommt. Das bedeutet der SBB braucht ein Konzept, wie er mit dem Weg von der Halle an den Fels sachsen-spezifisch umgeht.

Es scheint so, als sei es leichter, Anfängern das besondere am sächsischen Klettern nahezubringen als denjenigen die auf andere (nichtsächsische) Art mit dem Klettern begonnen haben. Konsens bestand darin, dass eine engere Verbindung mit qualifizierten (zertifizierten) Anbietern kommerzieller Kletterkurse die Vermittlung der sächsischen Werte verbessert werden kann. Eine Beschäftigung des SBB mit diesem Thema wird daher empfohlen.

Themenblock 3: Massivklettern

Nach einem Impulsvortrag: Massivklettern – eine Chance für die Zukunft? von Bernd Arnold wurden in diesem Workshop zunächst Argumente für und gegen die Einrichtung von neuen Routen an Massiven gesammelt. Dies waren:

Was spricht für neue Massive:

  • „Weil sie da sind“
  • Raum für traditionelles Klettern an Türmen und Sportklettern an Massiven
  • Erweiterung des Horizontes
  • „Der Weg ist das Ziel“
  • Gipfelschonung
  • Entzerrung (mehr Angebote daher weniger Frequenz an vorhandenen Wegen)
  • Auswahl nach ökologischen Gesichtspunkten und Felsqualität möglich
  • Raum für TR-Klettern
  • Raumordnerische Vorteile (Schaffung größerer Ruhezonen)
  • Massive geben SBB die Möglichkeit, die Zukunft mitzugestalten

Was spricht gegen neue Massive:

  • Es gibt noch genügend Potential
  • Denkbare Gefährdung des Status Quo
  • Unerwünschte Sperrungen in anderen Gebieten
  • Gebietsfremde könnten Unterschiede zwischen erlaubten und verbotenen Felsen verwechseln
  • Massive haben höheren ökologischen Wert
  • Wer hat Erstbegehungsrecht?

Einigkeit darüber, welche der Argumente stichhaltig sind und ob die Vorteile der Erschließung neuer Massive die entstehenden Nachteile überwiegen, konnte trotz sachlicher Diskussion nicht erzielt werden.

Danach wurde über denkbare Konflikte mit dem Naturschutz diskutiert. Dabei wurde erkannt, dass größere Flächenberuhigungen (durch Ausgleichsmaßnahmen) je nach Sicht einen Gewinn oder Verlust darstellen können.
Es erscheint den Teilnehmern denkbar, dass Kompensation auch mit zeitweiligen Einschränkungen möglich sein könnte.

In der Abschlussdiskussion wurden zunächst die Ergebnisse der drei Workshops von den Moderatoren vorgestellt. Danach wurde noch einmal heftig diskutiert. Wesentlich neue Erkenntnisse wurden dabei nicht gewonnen.

Der Kongress wurde gegen 17.15 Uhr durch den Moderator Prof. Dr. Röhle und den SBB-Vorsitzenden Alexander Nareike beendet. Der SBB dankt allen Teilnehmern für ihr Engagement für die Zukunft des Sächsischen Bergsteigens.

Im Nachgang zum Kongress hat Thomas Küntscher uns noch seine Gedanken zum Massivklettern schriftlich mitgeteilt, diese wollen wir euch nicht vorenthalten.