Aktuelles Protokoll der KER Online | Sächsischer Bergsteigerbund

Aktuelles Protokoll der KER Online

Das Protokoll der letzten Sitzung der KER am 22.06.2022 ist nun online. Ihr findet es wie immer auf der Seite der KER.

Da die Entscheidung über den Weg „Fluss der Zeit“ sehr umstritten ist, will die KER versuchen, hier ihren Weg zur Entscheidungsfindung darlegen.

Fluss der Zeit – ein Dilemma

Die Diskussion um den Weg „Fluss der Zeit“ am Thürmsdorfer Stein hat die Kommission für Ethik und Regeln (KER) in ein klassisches Dilemma gebracht. Nachdem der Weg durch die AG Neue Wege (AGNW) als Erstbegehung anerkannt wurde, wurde Widerspruch gegen diese Entscheidung eingelegt und die AG Felsklettern (AGF) hat sich für eine Aberkennung ausgesprochen. Die KER hat nun entschieden, dass dieser Weg erhalten bleiben soll. Die Gründe für diese Entscheidung möchten wir hier ausführlich erläutern.

Hintergrund:

Der Weg „Fluss der Zeit“ (VIIa) führt durch die Ostseite des Thürmsdorfer Steins und wurde am 25.3.2020 erstbegangen und von der AGNW anerkannt. Der Weg hat 3 Ringe und bietet nach einem, schweren, gut gesicherten, Zug am 1. R knapp 30 Meter Wandkletterei im IV‘ten Grad. Dies erklärt, neben der prominenten Lage, sicherlich auch die Beliebtheit und so war der Weg nach 1,5 Monaten ausgezählt und erhielt in den Sommermonaten im Schnitt eine Begehung pro Tag. Mehrere Bergfreunde haben bei ihren Begehungen von „Fluss der Zeit“ jedoch festgestellt, dass der seitliche Wegabstand zur benachbarten „Ostwand“ (IV, L. Petrich, 2.6.1980) an mehreren Stellen den von den Kletterregeln vorgegebenen Mindestabstand unterschreitet. Weil somit die „Ostwand“ beeinträchtigt würde, wurde ein Einspruch gegen die Anerkennung des Weges eingelegt. Dieser Sachverhalt wurde in einer Sitzung der AGF diskutiert und das Meinungsbild der Anwesenden ergab, dass der Weg „Fluss der Zeit“ nicht den Kletterregeln entspricht und wieder aberkannt werden sollte. Da die AGF als offenes Forum zum Meinungsaustausch keine festen Mitglieder hat, liegt die letztliche Entscheidung bei der KER. Die KER hat sich daher ebenfalls sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, sowohl in ihrer regulären Sitzung im Vereinszentrum als auch bei einem Termin vor Ort, bei dem die betreffenden Wege in mehreren Seilschaften parallel geklettert wurden. 

Entscheidungsfindung der KER:

Die KER folgt der Argumentation, dass die Erstbegehung „Fluss der Zeit“ nicht regelkonform war. Obgleich die Wegbeschreibung der „Ostwand“ im Kletterführer nicht für alle Teile des Weges eine klare Aussage über deren genaue Linie zulässt und aufgrund der homogenen IVer-Schwierigkeit des gesamten oberen Wandbereichs dort jeder ein bisschen anders klettern wird, bestand Konsens, dass der seitliche Abstand zur „Ostwand“ teils weniger als die geforderten 3 Meter beträgt. Auch wurde in den Bereichen der Annäherung nicht auf eigene Ringe verzichtet, so wie es die Regeln fordern. 

Auch wenn die trockenen Fakten für eine Aberkennung des Weges sprechen, zeigen die hohen Begehungszahlen, dass der Weg durch die Klettergemeinschaft angenommen wurde. Und hier kommen wir in das Dilemma: Einerseits vertreten wir als KER das traditionelle Sächsische Klettern und natürlich die Sächsischen Kletterregeln. Andererseits wollen wir aber auch keine kleine elitäre Gruppe sein, die über die Köpfe der Vielzahl der Kletterer hinweg entscheidet, für die „Fluss der Zeit“ eine Bereicherung darstellt. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Entscheidungen auf Dauer nur Bestand haben können, wenn wir sie als Klettergemeinschaft gemeinsam tragen können. Denn wenn wir den Anschluss und die Akzeptanz eines Großteils der Kletterer verlieren, agieren wir schlussendlich im luftleeren Raum.

Daher haben wir bei unserer Entscheidung folgende Aspekte ebenfalls berücksichtigt:

  • Die „Ostwand“ ist in kurzen Abständen so gut mit Schlingen absicherbar, dass wir der Meinung sind, dass die Ringe vom „Fluss der Zeit“ das Erlebnis in der „Ostwand“ nicht zerstören.
  • Der Wandbereich ist historisch nicht bedeutend (wie z.B. Lokomotive-Esse, Teufelsturm etc.), war lange Zeit komplett zugewachsen und die Nachbarrouten sind keine „Meilensteine“ ihrer Epoche.
  • Der „Fluss der Zeit“ wurde von der Klettergemeinschaft extrem gut angenommen (hier kommen viele Ursachen zusammen: sehr gute Absicherung, „leicht“ für den Grad, prominente Lage, schnelle Erreichbarkeit, Wandkletterei usw.) und neben den kritischen Stimmen gibt es eine Vielzahl von Kletterern, die kein Verständnis dafür hätten, warum gerade „einer der wenigen gut gesicherten Wege“ wieder aberkannt werden sollte.

Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte haben wir entschieden, dass der „Fluss der Zeit“ mit seinen drei Ringen der Klettergemeinschaft erhalten bleiben soll (5 dafür, 2 dagegen, 3 Enthaltungen). Der Weg stellt somit eine Ausnahme dar und kann nicht als Präzedenzfall für weitere derartige Erstbegehungen angeführt werden. Weiterhin wird der Weg dem Erstbegeher nicht zuerkannt und soll ohne Erstbegeher als Erwähnung im Kletterführer geführt werden. 

Das beschriebene Dilemma im Hintergrund lässt uns für die Zukunft drei wesentliche Punkte hervorheben: 

  • Erstens sind die Erstbegeherinnen und Erstbegeher in der Pflicht unsere Kletterregeln in allen Punkten zu achten und einzuhalten. Das beinhaltet insbesondere sich vor Erstbegehungen intensiv mit den Nachbarwegen der potenziellen eigenen Erstbegehung auseinanderzusetzen.
  • Zweitens fordern wir im selben Atemzug die AGNW auf, zukünftige Erstbegehungen wieder strenger an den Maßstäben der sächsischen Kletterregeln zu messen und dabei ein kritisches Auge auf die seitlichen Wegabstände zu werfen.
  • Drittens brauchen wir eine Strategie, wie zukünftig das Sächsische Klettern unter den aktuellen und sich weiter verändernden Rahmenbedingungen erhalten werden kann. Diese Strategie sollte unter Einbeziehung aller interessierten Kletterer gemeinsam erarbeitet werden.

Berg Heil im Namen der KER,
Tom Ehrig.

Schon vor der Ortsbesichtigung durch die KER hat wohl ein Kritiker von „Fluss der Zeit“ mit Kreide einen 30 m langen, dicken Strich durch die ganze Ostwand gezogen sowie einen Schriftzug „OSTWAND“ angebracht, um den Wegverlauf der „Ostwand“ zu verdeutlichen. Wir missbilligen das sehr und fragen uns ernsthaft, ob eine derartige Verschandelung des Felsens ein Beitrag zur Wahrung des traditionellen Sächsischen Kletterns darstellen sollte?
Kurz nach der Entscheidung der KER wurden die 3 Ringe vom „Fluss der Zeit“ illegal von unbekannt entfernt. Es ist traurig, dass viele Ehrenamtliche über Monate hinweg viele Stunden gemeinsam diskutieren und dann doch Einzelne für sich das Recht herausnehmen, ihre Meinung stehe über allem und vor Ort Fakten schaffen.