Das Boofen im Nationalpark Sächsische Schweiz entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem Massenphänomen. Immer mehr Menschen suchen das Naturerlebnis und übernachten im Freien. Leider stellen wir fest, dass auch das Bewusstsein für die Natur bei einigen Gästen des Nationalparks gesunken ist: Feuer, Müll und Lärm sind die Folge.
Ende April 2021 war die AG Boofen, ein Zusammenschluss der drei Dresdner DAV-Sektionen, zu Boofensperrungen mit dem Umweltministerium (SMEKUL) und der Nationalparkverwaltung (NPV) im Gespräch. Wir berichteten darüber u.a. im Mitteilungsblatt des Sächsischen Bergsteigerbundes, über die Website der Akademischen Sektion Dresden und ausführlicher im SSI-Heft 2021. Seit Mitte November 2021 liegt uns von SMEKUL und NPV folgendes Maßnahmenbündel vor:
Nach einem ersten Gespräch im Dezember 2021 erarbeiteten wir dazu eine vorläufige Stellungnahme, welche am 02. Februar 2022 an SMEKUL und NPV übergeben wurde. Ihren Inhalt stellen wir euch im Folgenden kurz vor: Positiv – und aus unserer Sicht am dringendsten umzusetzen – ist der Vorschlag zur Verstärkung der Nationalparkwacht. Damit könnte schon jetzt die Anzahl der Übernachtungen von über 30.000 auf etwa die Hälfte reduziert werden, da diese derzeit außerhalb der 58 genehmigten Boofen stattfinden. Schon diese Reduktion würde erhebliche Verbesserungen in den besonders sensiblen Bereichen des Nationalparks erreichen. Ebenso sinnvoll sehen wir eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, um die allgemeinen Verhaltensregeln im Wald beim Klettern, Wandern und Boofen zu vermitteln. Dazu gehört, neben dem Verbot von Feuern, der Vermeidung von Lärm und der Mitnahme von Müll auch die Beachtung des besonderen Ruhebedürfnisses der Natur bereits ab der Dämmerung. Beide Punkte, Verstärkung der Wacht und eine allgemeine Öffentlichkeitsarbeit sollten aus unserer Sicht so schnell wie möglich umgesetzt werden. Die geplante vollständige Sperrung einiger zugelassener Boofen lehnen wir ab und empfehlen die Nutzung bestehender Verfahren analog zur temporären Sperrung von Gipfeln. Von der Schaffung neuer Freiübernachtungsplätze außerhalb des Nationalparks erwarten wir keine Entlastung der Boofen. Diese Maßnahme sollte daher unabhängig von der Problematik des Boofens betrachtet werden.
SMEKUL und NPV beabsichtigen zusätzlich personen-, zeit- und ortsgebundene Tickets für das Boofen im Nationalpark einzuführen. Die konkreten Ziele, die damit verfolgt werden sollen, werden nach wie vor nicht genannt. Praxisrelevante Informationen zum Ticketsystem erhielten wir zum Teil erst in diesem Jahr. Wir wurden am 2. Februar 2022 informiert, dass das Kontingent für alle 58 Boofen zusammen vorerst auf 80 Plätze pro Nacht begrenzt werden soll. Das entspricht durchschnittlich weniger als zwei Personen pro zugelassener Boofe und Nacht. Weiter erwarten wir, dass durch das „hotelbuchungsartige“ System weitere Touristen angezogen und in ihrer Anspruchshaltung, zu boofen, bestärkt werden. Neben technischen Herausforderungen und der Problematik einer Definition von Kapazitäten befürchten wir eine die Zunahme von Ausweicheffekten in nicht genehmigte Übernachtungsstellen, beispielsweise auf Riffe mit sensibler Vegetation. Als Bergsportler sehen wir im Ticketsystem keine zufriedenstellende Lösung, sondern empfinden darin große Einschnitte in das Boofen als Teil der gelebten Tradition des Sächsischen Kletterns. Diese Einschnitte stehen aus unserer Sicht zudem einer geringen Reduktion von Störungen gegenüber.
Das SMEKUL schlägt zudem vor, dass jeder einzelne Boofer mit der Ticketbuchung bestätigen muss, dass er zum Klettern unterwegs ist. Wir denken, dass diese Selbstauskunft einerseits Naturliebhaber der Region ausschließt und andererseits nicht prüfbar ist. Alle Probleme des ticketgebundenen Boofens werden dann zwangsläufig auf Kletterer zurückfallen, weil auch „Partyboofer“ einfach nur das ankreuzen, was notwendig ist.
In Teilen stimmen wir dem vorgestellten Maßnahmenbündel zu. Allerdings sehen wir insbesondere im Ticketsystem in der vorgelegten Form ein unvollständig durchdachtes Konzept, welches mit der Umsetzung mehr Probleme schafft als es löst. Die übereilte Einführung dieser Maßnahme halten wir für falsch.
Aus Sicht der AG Boofen sollte nach Aufstockung der Nationalparkwacht eine gemeinsame und ergebnisoffene Diskussion mit SMEKUL, NPV und Bergsportverbänden begonnen werden, um ohne vorgefertigte Lösungspakete und ohne Zeitdruck ein solides Konzept zu erarbeiten. Diese Vorgehensweise wird helfen, einen breiten Konsens in den Kreisen der Naturfreunde und Bergsteiger zu erreichen. Unserer Auffassung nach können Reduktionsmaßnahmen nur auf diese Art und Weise langfristig und nachhaltig Erfolg haben.
Johannes Höntsch für die AG Boofen