Bergblumen | Sächsischer Bergsteigerbund

Bergblumen

Anliegen und Aufgabe einer Bibliothek ist es auch, historische und/oder künstlerisch wertvolle bibliografische Raritäten zu sammeln, der Nachwelt zu erhalten und der Leserschaft zugänglich zu machen. So haben wir in unserer SBB-Bibliothek auch viele historische Reise-, Wander oder Kletterführer, Reisebeschreibungen und Erlebnisberichte sowie auch eine große Anzahl historische Landkarten. Selbst wenn historisches Material eher selten ausgeliehen wird, bilden besonders sie doch einen hohen Wert unseres Bestandes. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Schriftenreihe des Gebirgsvereins für die Sächsisch-Böhmische Schweiz „Über Berg und Thal“, in der sehr viele geschichtliche Informationen enthalten sind, auf die man heute immer noch gern zurückgreift, entweder aus wissenschaftlichen, zeitgeschichtlichen oder regionalen Interessen.

In diesem Zusammenhang erfreut es uns von der Bibliothek ganz besonders, wenn wir eine große Kostbarkeit in unseren Bestand aufnehmen dürfen: zwei Büchlein der Reihe „Bergblumen, illustrierte Blätter der ´Section Strehlen´ des Gebirgsvereins für die Sächsisch-Böhmische Schweiz“. Gespendet wurde uns dieser Schatz von Dietmar Heinicke – auch von dieser Stelle nochmals ein großer Dank! Neben diesen beiden „Bergblumen“ waren weitere wertvolle historische Reisebeschreibungen und Zeitschriften Teil der Spende von Dietmar. Auch in zurückliegenden Jahren hatte er der Bibliothek dankenswerter Weise Bücher der Reihe „Über Berg und Thal“ gespendet.

Doch nun zu den „Bergblumen“. Als ich zum ersten Mal ins Buch schaute war ich begeistert. Ein gedrucktes Buch handgeschrieben (!) und mit vielen Graphiken resp. Zeichnungen versehen, jede Graphik ein kleines Kunstwerk! Aber auch der Inhalt ist bemerkenswert, werden wir doch mitgenommen in die Zeit unserer Großväter und Urgroßväter in die Jahre 1888 bis 1891. Und wir gehen mit in die Region, die wir doch gut zu kennen meinen und in der vieles seither wieder vergessen oder verloren gegangen ist, in ein nahes oder wenig entferntes Gebiet um Dresden bzw. Dresden-Strehlen. Damals war Strehlen noch nicht nach Dresden eingemeindet, das fand erst 1892 statt. Das Dorf Strehlen hatte sich in dieser Zeit gerade zu einem von der Oberschicht gesuchten Wohnort entwickelt. Verglichen mit der Einwohnerzahl von heute war Strehlen seinerzeit sehr überschaubar und umso erstaunlicher ist es, dass sich damals quasi im Dorf die Sektion Strehlen des Gebirgsvereins für die Sächsisch-Böhmische Schweiz gegründet hatte. Und wer hat die „Bergblumen“ gepflanzt? Lesen wir was die Sektion Strehlen selbst dazu sagt: „Die in diesem Dorfe begründete Sektion Strehlen hat aber in ihrer unmittelbaren Nähe keine Berge und Thäler, auf und in denen sie nach gebräuchlicher Sitte der Gebirgsvereine für Ruhebänke, Wegweiser, Aussichtspunkte und dergleichen sorgen könnte. Doch die unter der Leitung eines von den Aufgaben und idealen Zielen der Gebirgsvereine warm begeisterten Obmannes, unseres E.W. Zöllner stehende Sektion fühlte das Bedürfnis, auch etwas zu schaffen, was unserem Gebirgsverein nützen und Freude der Natur und der geschichtlichen Forschung erfreuen könnte. Da kam sie auf den ungewöhnlichen Gedanken, „Bergblumen“ zu pflanzen, d. h. eine kleine illustrierte Monatsschrift mit Zeichnungen, die sich auf unser Vereinsgebiet beziehen und welche der geniale, akademisch gebildete Dekorationsmaler Herr W. Eckard herstellt, unter der Redaktion ihres Zöllner herauszugeben. …“ [1] Ein löblicher Vorsatz, dem Geiste des Gebirgsvereins an der Erschließung des Elbsandsteingebirges und seiner Regionen mitzuwirken, wenngleich wie hier auf künstlerisch-kulturellem Gebiet. Bereits kurz nach der ersten Ausgabe gab es bereits viele Liebhaber der „Bergblumen“ und auch der Hauptverband des Gebirgsvereins interessierte sich für den Blumenstrauß. Selbst das sächsische Königshaus, dessen Villa auch in der Gemeinde Strehlen lag, hatte Interesse an den „Bergblumen“ gefunden. Allerdings ist auch in der Vereinszeitschrift „Über Berg und Thal“ häufig zu lesen, dass die Sektion Strehlen um Förderzuwendungen zur Kostendeckung für die „Bergblumen“ durch den Gesamtverein nachsucht. Auch wird befürchtet, dass die „Bergblumen“ dem Vereinsorgan „Über Berg und Thal“ „eine bedenkliche Konkurrenz bieten“ [2] könne. Daraus kann man auch die gute Qualität der „Bergblumen“ ableiten.

Was aber waren die Ursachen für beständige Geldnöte der „Bergblumen“? Aus heutiger Sicht und sicher auch in jener Zeit, war die Aufmachung bzw. das Layout nicht mehr zeitgemäß, nicht mehr wirtschaftlich, nicht mehr ökonomisch. Eine Zeitung von Hand zu zeichnen, von Hand zu schreiben und dann zu drucken war sicher auch in den Jahren vor 1890 schon ziemlich elitär – aber trotzdem schön. Viele wussten das zu schätzen und waren bereit, auch ihren Teil der Herstellungskosten mit dem Verkaufspreis zu tragen. Doch es musste fortwährend um eine stabile Käuferschaft gerungen werden. Um Kosten zu sparen, wurden ab Ausgabe November 1888 maßgebliche Texte nicht mehr von Hand geschrieben sondern im Buchsatz gedruckt. Nun, das mag uns heute enttäuschen, aber wir müssen es als Versuch werten, die „Bergblumen“ mit frischem Wasser zu gießen und zu erhalten.

Nachdem sich 1892 das Dorf Strehlen hat eingemeinden lassen (müssen) – weil es die monetäre Beihilfe der Großstadt Dresden für die Hochwassersicherungsmaßnahmen des Kaitzbaches benötigte – war die Einverleibung der Sektion Strehlen in den Gesamtverband der Sektion Dresden nur eine logische Folge des Anschlusses vom Dorf Strehlen an Großdresden. Die Folge der Folge war das langsame Austrocknen und Verwelken der „Bergblumen“ und mit der Juni-Ausgabe 1892 war die Zeit leider abgelaufen.

Wodurch zeichnet sich die „Bergblume“ besonders aus? In den ersten Ausgaben war es die Symbiose von Graphik und Schreibschrift im Druckbild. Anschließend waren es noch immer die gelungenen Graphiken. Nach Erfindung des Buchdruckes war es eher üblich, das Wort in Buchdrucklettern zu setzen. Was machten aber die Bergblumenautoren? Sie machten alles von Hand! Und wie? „Die Erläuterungen zu den Zeichnungen autgraphierte Herr Eckardt selbst mit lithographischer Tinte, beides, Zeichnung und Text, wurde auf Zinkplatten umgedruckt und so auf gewöhnlichen Wege des Zinkdruckes vervielfältigt.“ [3] Das liest sich zunächst einfach aber es bedarf eines großen handwerklichen und künstlerischen Geschicks, um zu hochwertigen Ergebnisses zu gelangen. Verglichen mit heute, wo quasi jeder sein eigener Drucker sein kann, ist der manuelle Aufwand verschwindend gering aber der technisch, technologische Hintergrund enorm. Zunächst musste die Hardware, d. h. Computer, Drucker, -toner, -tinte erfunden werden mit der jeweilig zugehörenden Software. Das alles nehmen wir bereits als alltägliche Gegebenheiten wahr. Aber keine am Computer entwickelte Zeichnung/Graphik kann sich wohl mit einem manuell erstellten Druck (Lithographie, Radierung, Kupfer-/ Stahlstich u.w.) vergleichen, weil im Computerdruck die Seele des Steindruckers, des Kupferstechers, des Künstlers fehlt.
Interesssant waren seinerzeit Themen, die heute aus unserer Wahrnehmung eher verschwunden scheinen, wie beispielsweise die Heraldik regionaler Adelsfamilien, Sagen aus dem Vereinsgebiet oder Standorte von Stein-/Sühnekreuzen und deren Hintergründe. Aber auch Themen, die immer noch ein breites Publikum finden, wie Burgen und/oder deren Ruinen, Rittergüter und viel dergleichen mehr. Heimat, kurz gesagt und daher so wertvoll für uns!

Die „Bergblumen“ sind von der ersten Ausgabe Januar 1888 bis zur letzten Juni 1892 (außer 1-4, 6, 10/1888) im Bestand der SLUB und dort online als PDF-Datei abrufbar:
Band 1-3/1886-1888, Band 4-7/1889-1892
Im SBB sind die „Bergblumen“ 1-12/1888 und 1-12/1889/1890/1891 bedingt auszuleihen unter H0175A, H0175B.

Falk Große

[1]       „Über Berg und Thal“ Nr.   96
[2] [3] „Über Berg und Thal“ Nr. 130

Informationen zum Buch

Autor/Autorin:
Herausgeber: Section Strehlen des Gebirgsvereins für die Sächsisch-Böhmische Schweiz
ISBN
nicht vorhanden
Signatur in der Bibo
H0175A, H0175B
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